Im Osten nichts Neues

 

Mit dem vorliegenden Artikel möchte ich versuchen, die Berichterstattung der deutschen Medien zu den Vorgängen in der Ukraine vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das, was zurzeit berichtet wird, verdient nicht den Namen Bericht. Es sind Meinungen, Kommentare und einseitige Darstellungen. Tatsachen und vor allem geschichtliche Hintergründe werden nicht erwähnt oder verfälscht. Ich bemühe mich, ohne Wertungen und auch – eine beliebte Methode der nicht nur deutschen Medien – ohne Weglassungen darzustellen. Ich stelle Fakten dar, die Interpretation, bis auf den letzten Absatz, überlasse ich dem Leser.

1. Der Status bis zum 25. Februar
Am Morgen des 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin den Beginn einer Militäroperation in der Ukraine an. Er erklärte, Moskau werde sich um eine „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ des Landes bemühen und forderte das ukrainische Militär auf, die Waffen niederzulegen. Er betonte, dass Moskau „nicht die Absicht hat, ukrainische Gebiete zu besetzen.“
Bis zum Abend des 24. Februar hatte das russische Militär 74 Einrichtungen der militärischen Infrastruktur der Ukraine ausgeschaltet. Dazu gehörten 11 Flugplätze der Luftwaffe, drei Gefechtsstände, ein ukrainischer Marinestützpunkt sowie 18 Radarstationen der Luftabwehrsysteme S-300 und Buk-M1. Die russischen Truppen erreichten auch Cherson, wodurch die Blockade des Nord-Krim-Kanals aufgehoben werden konnte. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums leisteten die ukrainischen Grenzsoldaten „keinen Widerstand gegen die russischen Einheiten.“ Nach Angaben des Sprechers des Ministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow, gaben die russischen Streitkräfte den Kräften der Volksrepubliken Donezk und Lugansk, die in die Offensive gegangen sind, Feuerunterstützung.

Das Ministerium stellte gesondert klar, dass ukrainische Zivilisten nicht bedroht seien, da die Städte keine militärischen Ziele darstellten. Gleichzeitig erschienen im Laufe des Tages in Medien und in Telegrammkanälen widersprüchliche Informationen über die Operation. Dazu gehörten Berichte über Explosionen in verschiedenen ukrainischen Städten wie Kiew, Odessa, Charkiw und anderen. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow sagte, die Entmilitarisierung der Ukraine bedeute die Neutralisierung ihres militärischen Potenzials, die Dauer der Operation bestimme der Präsident.
Kiew hat die diplomatischen Beziehungen zu Moskau abgebrochen. Das Außenministerium des Landes begann mit der sofortigen Evakuierung seiner Botschaft in Russland. In der gesamten Ukraine wurde das Kriegsrecht verhängt, die Behörden schlossen den Luftraum vollständig und schlossen die meisten Häfen. Der ukrainische Präsident Wladimir Selensky nahm mehrere Videobotschaften auf, in denen er die Ukrainer aufforderte, nicht in Panik zu geraten. Der Staatschef sprach auch über die laufenden Kontakte mit ausländischen Politikern. Kiew meldete einen Ansturm auf Banken und Tankstellen sowie eine erhebliche Zunahme des Verkehrs an den Grenzkontrollstellen. Der ukrainische Verteidigungsminister Alexej Reznikov forderte auf Facebook „alle, die bereit und in der Lage sind, Waffen zu tragen, auf, sich sofort in die Reihen der Territorialverteidigungskräfte einzureihen.“

Die meisten westlichen Länder haben den Beginn der russischen Operation in der Ukraine verurteilt und mit der Verhängung von Sanktionen begonnen. US-Präsident Joe Biden sagte, dass „Russland allein für den Tod und die Zerstörung verantwortlich ist, die dieser Angriff bringen wird.“ Charles Michel und Ursula von der Leyen, die Vorsitzenden des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission, kritisierten die russische Führung. UN-Generalsekretär António Guterres forderte Wladimir Putin auf, die Soldaten vom Angriff auf die Ukraine abzuhalten und dem Frieden eine Chance zu geben. Gleichzeitig erklärten die USA und die NATO, dass ihre Soldaten nicht in der Ukraine kämpfen würden. Am Ende des Tages kündigten die USA, die EU und andere Länder die ersten Sanktionen gegen Moskau an. Sie betrafen die Bereiche Finanzen, Energie, Verkehr und Güter mit doppeltem Verwendungszweck sowie Ausfuhrkontrollen, Ausfuhrfinanzierung, neue Technologien und Visumpolitik. Gesonderte Maßnahmen betrafen sowohl russische Beamte als auch russische Banken, darunter die VTB. Entgegen Befürchtungen betrafen die Einschränkungen nicht das SWIFT-System.

Die Märkte reagierten heftig auf den Beginn der Operation. Der Rubel schwächte sich gegenüber dem Dollar und dem Euro deutlich ab. Um 9:31 Uhr Moskauer Zeit lagen die amerikanische und die europäische Währung bei 87,6 RUR (+7,4 %) und 99,03 RUR (+8 %). Die Börsen in Moskau und St. Petersburg setzten den Handel aus. Der Preis für Rohöl der Sorte Brent überstieg zum ersten Mal seit August 2014 die Marke von 104 US-Dollar pro Barrel. Um die Lage auf dem Finanzmarkt zu stabilisieren, beschloss die russische Zentralbank, Devisenmarktinterventionen durchzuführen, und verbot außerdem Leerverkäufe auf dem russischen Markt. Zwölf Flughäfen in Südrussland stellten vorübergehend den Betrieb ein. Nach Angaben des Luftfahrtbundesamtes gilt die Beschränkung bis zum 2. März.

25. Februar
In der Ukraine wurde die allgemeine Mobilmachung angekündigt. Präsident Selensky erklärte, dass in den letzten 24 Stunden 137 ukrainische Soldaten getötet und 316 weitere verwundet worden seien. Die UNO meldet 25 getötete Zivilisten. Selensky ordnete die Einrichtung eines Büros des Oberbefehlshabers im Lande an und forderte die russische Regierung zweimal zur Aufnahme von Verhandlungen auf, auch über den neutralen Status der Ukraine. Die Regierung behauptet, die Lage im Lande unter Kontrolle zu haben. Gleichzeitig berichteten ukrainische Medien, dass am Freitagmorgen in Kiew Explosionen zu hören waren. Sie wurden in den Bezirken Pecherskyy und Holosiyivskyy der ukrainischen Hauptstadt sowie in Poznyaky gehört. Nach Angaben von UNIAN waren im Bezirk Trojeshchyna sechs Explosionen zu hören. Nach Angaben der ukrainischen Behörden wurden rund 10.000 Sturmgewehre an Freiwillige ausgegeben.
Das russische Militär hat Kiew von Westen her abgeriegelt. Fallschirmjäger landeten in der Nähe des Flugplatzes Gostomel am Rande der Hauptstadt. Bei der Eroberung des Flugplatzes wurden mehr als 200 Nationalisten getötet. Seit Beginn der Operation haben die russischen Streitkräfte insgesamt 118 Objekte der ukrainischen militärischen Infrastruktur außer Gefecht gesetzt. Das Verteidigungsministerium meldete die Zerstörung von 18 Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, sieben Mehrfachraketenwerfern, fünf Kampfbooten, fünf Kampfflugzeugen, einem Hubschrauber und fünf Drohnen. Das Ministerium teilte mit, dass Luftlandetruppen die Kontrolle über das Gebiet in der Nähe des Kernkraftwerks Tschernobyl übernommen haben. Bei Tschernobyl wurde eine gemeinsame Überwachung des Kraftwerkes durch eine gemischte Truppe aus russischen Soldaten und ukrainischen Sicherheitskräften ausgehandelt. Das Verteidigungsministerium meldete außerdem, dass DNR- und LNR-Kräfte in Richtung Wolnowacha und in Richtung Sewerodonezk vorrückten.

Der Kreml erkennt Selensky als Präsidenten der Ukraine an. Dmitrij Peskow erklärte, Wladimir Putin sei bereit, eine russische Delegation aus Vertretern des Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums und der Präsidialverwaltung zu Gesprächen mit einer ukrainischen Delegation nach Minsk zu entsenden. Zuvor hatte Peskow die Bereitschaft Kiews, über den neutralen Status der Ukraine zu diskutieren, als positives Signal bezeichnet. Moskau bekräftigte außerdem seine Unterstützung für die LNR und die DNR in ihrem Recht auf unabhängige Existenz.
Die EU bereitet neue Sanktionen gegen Russland vor. Dazu gehört auch die Frage des möglichen Ausschlusses des Landes aus dem SWIFT-System. Russischen Diplomaten und Geschäftsleuten wird außerdem der Zugang zur Europäischen Union verwehrt. Moskau hat erklärt, dass Russland auf die Sanktionen reagieren wird.

2. Die Kriegsziele

Der russische Vormarsch in der Ukraine hat drei Stoßrichtungen: Die südliche Stoßrichtung mit dem Ziel, die Wasserversorgung der Krim wieder herzustellen, die Hauptstadt Kiew und die beiden Ost-Oblasten mit russischer Besiedlung und den Süden.

Das erste Ziel ist gestern erreicht worden – die Sicherstellung der Wasserversorgung der Krim. Die von Russland so genannte „Rückkehr der Krim in den Heimathafen“ zeitigte 2014 schon bald enorme Schwierigkeiten. Sowohl die Energie- als auch die Wasserversorgung der Halbinsel lagen im Argen. Erstere bekamen die Russen in den Griff, letztere nicht. Seit den 1970er Jahren wurden mehr als 85 Prozent des Süßwasserbedarfs der Halbinsel über den Nord-Krim-Kanal herangeschafft, der sich aus dem ukrainischen Fluss Dnjepr speist. Nach dem Anschluss/der Annexion (mehr dazu weiter unten) der Krim durch Russland drosselte Kiew die Wasserzufuhr, um sie schließlich 2017 mit einem Damm gänzlich zu kappen. Mehr als zwei Millionen Einwohner saßen seither auf dem Trockenen. Um aus dieser Falle zu entkommen, überlegten die Russen, eine Rohrleitung aus Südrussland zu verlegen, künstliche Niederschläge zu erzwingen, Brunnen zu bohren, ein Flüsschen umzuleiten oder Meerwasserentsalzungsanlagen zu bauen. Doch all diese Überlegungen hätten für andere Regionen oder aber die Umwelt gravierende Auswirkungen gehabt, weshalb man sie verwarf.

Am Samstag haben die Russen bei ihrem Vormarsch den strittigen Damm erreicht und ihn gesprengt. Die Wasserversorgung der Krim ist jetzt zwar wieder gewährleistet, aber nur solange die Russen die Kontrolle über dieses Gebiet ausüben. Die Zukunft der zwei Millionen Bewohner der Krim und ihre weitere Wasserversorgung hängt damit letztlich vom Kriegsausgang ab.

3. Müssen wir Angst vor Russland haben?

Vielleicht vor der russischen Regierung, aber auf keinen Fall vor dem russischen Volk. Ein Blick in die Menschheitsgeschichte zeigt, dass nicht ein einziger Krieg zwischen Völkern geführt wurde. Kriege wurden immer von Regierungen und den dahinter stehenden Machtgruppen geführt, niemals von den Völkern selbst, auch, wenn das Volk diese Kriege und die Folgen immer „ausbaden“ musste.
Wie steht es nun mit Russland? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick in die jüngere Vergangenheit unter Ausschluss von Emotionen. Ein paar Stichpunkte dazu:
Von wem stammt der Vorschlag, ein „Haus Europa“ aufzubauen, samt der dazugehörigen Öffnung der Sowjetunion bis hin zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands? Von Michail Gorbatschow, 1989. Und hat Gorbatschow nicht die Zusage erhalten, dass die NATO nicht über die deutschen Grenzen nach Osten erweitert würde, wie soeben noch einmal im „Spiegel“ durch Dokumente belegt wurde?
Wer hat mit dem Gedanken gespielt und sogar Schritte in diese Richtung gesetzt, die NATO, nachdem sie absprachewidrig doch bereits auf Osterweiterungskurs war, durch einen Beitritt Russlands zur eurasischen Sicherheitsorganisation umzuwandeln? Boris Jelzin.
Wer ist 2001 als eine seiner ersten außenpolitischen Amtshandlungen im deutschen Bundestag mit dem Angebot aufgetreten, anstelle der zusammengebrochenen Ordnung des Kalten Krieges eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa von Wladiwostok bis Lissabon zu entwickeln und erhielt dafür „standing ovations“ der Abgeordneten? Wladimir Putin.
Wer hat das das Angebot einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur auf der Strategietagung der NATO in Lissabon im Jahr 2010 wiederholt? Dmitri Medwedew.
Wer hat vor dem Ausbruch des Maidankonflikts 2014 dafür geworben, das anstehende Assoziierungsabkommen in dreiseitiger Zusammenarbeit zwischen Ukraine, EU und Russland zu entwickeln? Russland.
Wer hat in der UNO immer wieder auf die Einhaltung der diversen internationalen Abkommen gedrungen? Und wie wurde darauf geantwortet?
– Mit schrittweiser Erweiterung der Europäischen Union und in ihrem Geleitzug Erweiterung der NATO bis hart vor die Grenzen Russlands.
– Mit Unterstützung von „bunten Revolutionen“ in den Randgebieten der ehemaligen Sowjetunion seit 2004 bis hin zum Maidan in der Ukraine 2014.

4. Die ukrainische Vorgeschichte

Regierungsmitglieder der NATO-Staaten stellen Wladimir Putin als üblen Despoten hin, der aus Machtgier ein armes Nachbarland überfällt. Der österreichische Außenminister zog gar den Vergleich mit Hitlers Einmarsch in Österreich 1938. Tatsächlich ist die NATO seit 30 Jahren in Osteuropa der Aggressor gegen Russland. Nach langer Defensive versucht die russische Regierung, die zunehmende Einkreisung und Bedrängung zumindest etwas zu begrenzen. In der Ukraine vermischt sich seit zwei Jahrzehnten eine soziale und politische Krise im Land mit einem nationalen Konflikt und einer geopolitischen Auseinandersetzung zwischen NATO und Russland.

Die Ukraine hat etwa 44 Millionen Einwohner und ist mit rund 600.000 Quadratkilometern etwa siebenmal so groß wie Österreich oder fast doppelt so groß wie Deutschland. Die meiste Zeit in der Geschichte war das Gebiet der heutigen Ukraine kein Staat, sondern ein Einflussgebiet von Polen, Russland, den Tataren oder Osmanen. Über viele Jahrhunderte war die Ukraine ethnisch stark gemischt. Die größte Gruppe war die noch nicht genauer differenzierte slawische Bevölkerung. Dazu kamen große Minderheiten von Tataren, Deutschen, Juden und Polen.
Bis ins 19. Jahrhundert war unter der slawischen Bevölkerung die „kleinrussische“ Identität vorherrschend, die von einem „dreieinigen russischen Volk“ aus Großrussen, Weißrussen und eben Kleinrussen ausging. Dabei gab es natürlich eine klare großrussische Dominanz. Erst Ende des 19. Jahrhunderts setzte ein ukrainischer Nationsbildungsprozess ein, der von der österreichischen Westukraine ausging, wo er in den habsburgischen Kronländern Galizien und Bukowina von den Behörden gefördert wurde — als Gegengewicht nicht nur zum russischen Panslawismus, sondern auch gegenüber dem in Galizien starken polnischen Nationalismus.

Mit der siegreichen Oktoberrevolution in Russland wurde — entsprechend Wladimir Lenins Konzept — das Selbstbestimmungsrecht der Nationen proklamiert. Die Mittelmächte, also Deutschland und Österreich-Ungarn, versuchten, den Zusammenbruch der zaristischen Armee für eine Expansion unter anderem in die Ukraine zu nutzen. Dadurch und durch die Wirren des Bürgerkriegs, den reaktionäre Kräfte gegen die Sowjetmacht anzettelten, entstanden in der Ukraine kurzzeitige antisowjetische und prosowjetische Staatsstrukturen. Schließlich kam es zu einer Aufteilung des Gebietes auf die Sowjetunion, an die der Großteil fiel, sowie auf Polen, die Tschechoslowakische Republik (ČSR) und Rumänien.

Die Grenzen der Ukrainischen Sowjetrepublik wurden aus politischen Erwägungen der sowjetischen Führung so gezogen, dass die russisch geprägten Gebiete der Südukraine und des Donbass der Ukraine zugeschlagen wurden. Die Politik des Stalinismus führte gerade in der Ukraine immer wieder zu Hungersnöten. Aufstände in ländlichen ukrainischen Gebieten wurden nicht nur unterdrückt, sondern auch mit einer Russifizierung beantwortet, was sich besonders in größeren Städten auswirkte, wo die ukrainische Identität ohnehin geringer war. Ebenso benachteiligt waren die Ukrainer in der ČSR, Rumänien und insbesondere in Polen. Das veranlasste Adolf Hitler Ende der 1930er-Jahre zur Unterstützung und Instrumentalisierung der ukrainischen Nationalbewegung.

Der Zweite Weltkrieg brachte für die Ukrainische Sowjetrepublik zuerst einmal eine kurzzeitige Expansion, denn mit dem Hitler-Stalin-Pakt kam das zu guten Teilen ukrainisch besiedelte Ostpolen im Herbst 1939 zur Sowjetunion. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 folgte allerdings eine etwa dreijährige NS-Besatzung, die in der Ukraine etwa 6,5 Millionen Menschen, darunter 800.000 Juden, das Leben kostete. Die Ursachen waren nicht nur Massaker, sondern auch brutale Zwangsarbeit und durch die Besatzer verursachte Hungersnöte. Die Zerstörungen waren so massiv, dass 1945 etwa 10 Millionen Menschen obdachlos waren.

Gegen die NS-Besatzung entwickelte sich, wie überall in der Sowjetunion, auch in der Ukraine eine rege prosowjetische Partisanentätigkeit. Gleichzeitig gab es, vor allem in der Westukraine, auch eine erhebliche Kollaboration mit den Besatzern. Ukrainische Hilfstruppen wurden von der SS als Wachmannschaften der Konzentrationslager (KZ) und bei Massenmorden an Kommunisten, Juden und Polen eingesetzt. Die rechten, nationalistischen Verbände der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) um Stepan Bandera, auf den sich bis heute ukrainische Rechtsextremisten gerne berufen, spielten eine ähnliche Rolle wie die Tschetniks in Jugoslawien oder die EDES in Griechenland: Anfänglich durchaus auch gegen die NS-Besatzer führte sie ihr Antikommunismus schließlich zu einer vorherrschenden Kollaboration mit Wehrmacht und SS. Und dann wurde im Frühjahr 1943, überwiegend aus Kräften der OUN, auch noch die ukrainische Waffen-SS-Division „Galizien“ formiert, die am Höhepunkt mehr als 20.000 Soldaten hatte.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchten OUN-Kräfte, mithilfe der britischen und US-Geheimdienstes, noch bis Anfang der 1950er-Jahre in der Westukraine eine Guerillatätigkeit weiterzuführen. Insgesamt setzte aber ab 1945 eine Stabilisierung der Ukrainischen Sowjetrepublik ein. Die Westexpansion der Sowjetunion brachte gerade für diese Teilrepublik eine territoriale Erweiterung, nämlich um die Gebiete, die zuvor zu Polen, der ČSR und Rumänien gehört hatten, und dann auch noch um die 1954 von Nikita Chruschtschow der Ukraine geschenkte Krim. Dazu kam eine nationale Vereinheitlichung, denn die jüdische, deutsche, polnische und tatarische Minderheit waren weitgehend umgebracht oder vertrieben.

Die bürokratische Planung brachte bis in die 1970er-Jahre einen ökonomischen Aufschwung und auch eine weitere Industrialisierung, die in der Ostukraine die ohnehin vorherrschende russische Identität weiter verstärkte. Die Stagnation des autoritären Planungsmodells in den 1980er-Jahren hatte auch auf die ukrainische Wirtschaft entsprechende Folgen und führte auch hier zu einer Enttäuschung bezüglich des vermeintlichen „Sozialismus“. Am Ende standen die Auflösung der Sowjetunion 1991 und die Eigenstaatlichkeit der Ukraine. Mit der Auflösung der Sowjetunion begann für die Ukraine ein wirtschaftlicher Niedergang. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging von 1991 bis 1995 um 60 Prozent zurück, die Bevölkerung reduzierte sich zwischen 1991 und 2014 um sechs Millionen Menschen. Zwischen 2000 und 2007 gab es dann einen gewissen Aufschwung, von der Krise ab 2008 war die Ukraine aber besonders betroffen und in der Folge von Hilfen Russlands und der EU abhängig.

Zehn Jahre lang, von 1994 bis 2004, regierte der prorussische Leonid Kutschma das Land. In der Auseinandersetzung um seine Nachfolge kam es zur sogenannten Orangenen Revolution, in der westliche Geheimdienste und NGOs bereits stark ihre Finger im Spiel hatten. An die Macht kamen nationalistische Pro-EU-Kräfte um Wiktor Juschtschenko und Julia Timoschenko, die aber untereinander zerstritten und ausgesprochen korrupt waren. Als dann auch noch die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise dazu kamen, gewann 2010 der prorussische Wiktor Janukowitsch die Wahlen.

Auch für Russland waren die 1990er-Jahre ein Desaster. Unter Boris Jelzin gab es in den Jahren von 1991 bis 1999 korrupte Privatisierungen, eine völlige Kapitulation vor dem Westen und einen Niedergang der Wirtschaft. Als Folge davon konnte die NATO nach Bulgarien, Rumänien, Ungarn, die Slowakei, Polen und ins Baltikum expandieren. Mit Putins Machtübernahme im Jahr 2000 änderte sich das aber wieder teilweise: Es gab einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung; nach offiziellen Zahlen stieg zwischen den Jahren 2000 und 2010 das BIP um 97 Prozent, die Industrie um 47 Prozent und die Löhne um 142 Prozent. Die Oligarchen konnten bei Unterordnung unter die Regierungspolitik weiter fett absahnen, wurden aber einer gewissen staatlich-autoritären Kontrolle unterstellt. Und Putin zeigte wieder mehr Stärke in der Außen- und Militärpolitik. Russland leistete gegenüber der westlichen Expansion wieder gewissen Widerstand, im Iran, in Georgien, in Syrien und eben in der Ukraine.

Die Ukraine ist ein Land mit vielen Bodenschätzen, unter anderem verschiedene Metalle und Kohle. Im Osten des Landes dominiert die Schwerindustrie, im Westen die Landwirtschaft. Die ukrainischen Böden sind ausgesprochen fruchtbar. Sechs bis zehn Oligarchen — wie etwa Alexander Jaroslawski oder Dimitrij Firtasch — besitzen de facto alles, von diversen Konzernen bis zu TV-Stationen; sie plündern das Land und haben großen politischen Einfluss. Die chronische Wirtschaftskrise wurde auch noch durch einen Währungseinbruch, eine Kapitalflucht und ein massives Handels- und Budgetdefizit verschärft. Allein in den Jahren 2010 bis 2012 ist die Firmenzahl um 600.000 zurückgegangen (hauptsächlich Kleinbetriebe), und 2013 ging diese Entwicklung weiter.
Die ökonomische Krise führte zu einer sozialen. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung lebten in Armut, das Durchschnittseinkommen liegt bei etwa 200 Euro und es gibt kaum mehr eine staatliche Krankenversicherung. Die Lebenserwartung von Männern lag 2013 bei 63 Jahren.

Fünf Millionen Ukrainer, vor allem aus dem Westen des Landes, leben als Migranten im Ausland, als Arbeiter jeder Art und oft auch als Prostituierte — nicht nur in Westeuropa und den USA, sondern die oft blonden ukrainischen Frauen sind auch in Südeuropa, der Türkei und im Nahen Osten sehr beliebt. Die Migranten haben im Jahr 2013 ganze 9,3 Milliarden Euro in die Ukraine überwiesen und waren damit eine wesentliche Devisenquelle.

Obwohl an sich ein reiches Land, aber unter der Fuchtel von Oligarchen-Ausbeutung und des Weltmarktes brauchte die Ukraine unvermeidlich Hilfe von außen. Die EU wollte in dieser Lage zwar das Assoziierungsabkommen, aber in ihrer neoliberalen Sparlogik nicht einmal eine Milliarde an Unterstützung geben. Da die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Währungsfonds (IWF) außerdem noch eine Gefahr für die nicht „wettbewerbsfähige“ Industrie in der Ostukraine hätte bedeuten können, verweigerte Janukowitsch schließlich im November 2013 das EU-Abkommen. Immerhin hatte Russland 15 Milliarden an Hilfe plus günstige Gaspreise angeboten.

Diese Zurückweisung ihrer Expansionsbestrebungen wollten allerdings weder die EU noch die USA/NATO hinnehmen. Auch Teile der ukrainischen Oligarchen nahmen eine Pro-EU-Haltung ein. Und auch Teile der Bevölkerung der Westukraine wollte näher an die EU, unter anderem, um leichter in die EU-Staaten auswandern zu können. Und schließlich hatten CIA, BND und die Stiftungen des US-Spekulanten George Soros über die Jahre etwa fünf Milliarden Dollar in den Aufbau der Opposition investiert, die USA etwa in Arsenij Jazenjuk, die deutsche CDU besonders in Vitali Klitschko.

In der sogenannten Euro-Maidan-Bewegung spielte auch soziale Unzufriedenheit eine Rolle. Unter den „Mittelschichten“, die in der ersten Phase mit EU-Fähnchen demonstrierten, waren neben westlich-orientierten Studierenden auch viele ruinierte Kleinunternehmer. Übrigens auch der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle!
Aber es war eine dominant reaktionäre Bewegung: Neben EU-Fans, bezahlten NGOS und anderen Handlangern von NATO, USA und Deutschland gab es auch extrem nationalistische Kräfte, wie Timoschenko. Und zumindest in der späteren Phase der Auseinandersetzung waren immer mehr rechtsextreme und offene Nazi-Kräfte vorherrschend, nämlich die Swoboda-Partei um Oleh Tjahnybok und das Schlägertruppen-Bündnis „Rechter Sektor“, Kräfte, die sich auf die Tradition von Stepan Bandera und teilweise sogar der SS berufen. Wie sich später herausstellte, waren im Herbst 2013 mindestens 86 Schläger des Rechten Sektors, organisiert vom polnischen Außenminister Radek Sikorski, von der polnischen Spezialpolizei im Straßen und Häuserkampf ausgebildet worden.

Die Janukowitsch-Regierung hatte seit Jahren eine arbeiterfeindliche Politik betrieben, stützte sich auf die Oligarchen Rinat Achmetow, Andrej Klujew und Viktor Pintschuk und die Kooperation mit Russland und seiner Regierung. Die Maidan-Bewegung wurde von den Oligarchen Julia Timoschenko, Georgi Surkis, Igor Kolomoisky und Petro Poroschenko sowie vom Westen unterstützt und von Rechtsextremen getragen.

Der von Deutschland im Februar 2014 vermittelte Vertrag zur Bildung einer Einheitsregierung (Janukowitsch plus Jazenjuk, Klitschko und Tjahnybok) wurde von der schärferen US-Linie beiseitegeschoben. Die Janukowitsch-Regierung wurde schließlich gestürzt. Der neue Präsident Alexander Turtschinow und die Übergangsregierung unter Arsenij Jazenjuk sind durch den Straßenkampf faschistischer Banden an die Macht gekommen. Konkret waren die Innen- und Verteidigungsminister Arsen Awakow und Andrej Parubi und Generalstaatsanwalt Oleh Machnitsky aus dem Swoboda-Bereich und Juri Odartschenko, der neu ernannte Gouverneur von Cherson, nannte Hitler in einer öffentlichen Ansprache gar einen Befreier.

Die Staatsstrukturen waren für die neue Regierung erst einmal unverlässlich. Manche Polizeieinheiten, die Janukowitsch-loyal gewesen waren, wurden aufgelöst, Soldaten bekamen teilweise wochenlang keinen Sold. Als verlässliche Truppe des neuen Regimes wurde schließlich die Nationalgarde aufgebaut, die sich im Wesentlichen aus den faschistischen Schlägern des Rechten Sektors rekrutierte. Sämtliche neuen Minister kamen aus der Westukraine oder Kiew und einer der ersten Gesetzesentwürfe sah die Aufhebung des Sprachgesetzes vor, das Russisch regional als zweite Amtssprache eingeführt hatte. Das waren klare Ansagen des neuen Regimes an die großen russischsprachigen Bevölkerungsteile.

Eine böse, aber leider wahre Anekdote an dieser Stelle ist die Frage, wer bei der Regierungsbildung so alles mitmischte. Geleakt und von der amerikanischen Regierung nie dementiert ist der Mitschnitt eines Telefongesprächs zwischen der amerikanischen Außenministerin Viktoria Nuland und Geoffrey Pyatt, dem US-Botschafter in der amerikanischen Botschaft. Als dieser Rücksicht auf die Interessen der EU anmahnte, erwiderte Nuland: „Fuck the EU!
Bald nach dem Machtwechsel wurden in Kiew und Lemberg die Büros der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) und der linken Organisation „Borotba“ zerstört und begannen Übergriffe gegen ihre Aktivisten. Um keinen Zweifel mehr zu lassen, organisierte die Regierungspartei Swoboda in Lemberg einen Aufmarsch zur Feier des 71. Jahrestages der Gründung der SS-Division Galizien.

Diese Politik führte einerseits zu einer Opposition der im Osten und Süden der Ukraine dominierenden russischsprachigen Bevölkerung; insgesamt sprachen 2011 laut der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften in der Ukraine 39 Prozent vor allem Russisch, 43 Prozent vor allem Ukrainisch, der Rest beides gleich oder andere Sprachen. Andererseits wurde ein politischer und sozialer Widerstand der Arbeiterbewegung gegen das Regime nahezu provoziert.

Im März 2014 kam es innerhalb weniger Wochen zur Lostrennung der Krim, die von Russland aktiv unterstützt wurde, aber auch die große Mehrheit der lokalen Bevölkerung hinter sich hatte. Eine durchgeführte Volksabstimmung auf der Krim ergab eine eindeutige Bevölkerungsmehrheit für den Anschluss an Russland. Die ukrainische Regierung war zu diesem Zeitpunkt noch relativ handlungsunfähig. Timoschenko tobte und sprach davon, dass man „diese verdammten Russen zusammen mit ihren Anführern abknallen“ müsse, die Millionen Russen in der Ukraine solle man „mit Nuklearwaffen erledigen“. Die so Angesprochenen entwickelten auch in der Ostukraine eine bewaffnete Widerstandsbewegung; sie hatten dabei wohl einige Helfer aus Russland, aber es spielten in den separatistischen Milizen offenbar auch Afghanistan-Veteranen eine wichtige Rolle — unter den Sowjetsoldaten im Afghanistankrieg in den 1980er-Jahren waren überproportional viele aus der ukrainischen Teilrepublik.

In den industriellen und mehrheitlich russischsprachigen Gebieten der Ostukraine begann noch 2014 ein blutiger Krieg. In der ersten Phase hatten die Rebellen in den Regionen Donezk und Lugansk, eine diffuse Mischung aus Afghanistan-Veteranen, russischen Nationalisten, Antifaschisten, politischen Abenteurern, einfachen Lohnabhängigen und wütenden jungen Männern, die Oberhand. Mehrere Offensivversuche des rechten ukrainischen Regimes scheiterten, anfänglich oft auch am Widerstand der unbewaffneten Zivilbevölkerung und daran, dass sich Soldaten weigerten, auf die Bevölkerung zu schießen. Teilweise sind auch Polizisten und Soldaten zu den Aufständischen übergelaufen. Die Regierung musste teilweise offen einräumen, dass die Truppen illoyal sind und es ganze Regionen außer Kontrolle verloren hat. Es gab damals bereits brutale Einsätze der neu aufgerüsteten Nationalgarde, etwa in Slawjansk und Mariupol, wobei zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen; dadurch stellte sich die Bevölkerung immer klarer hinter die Rebellen. Vor allem konzentrierte sich die Regierung aber anfänglich darauf, die Regionen Charkow und Odessa rasch unter völlige Kontrolle zu bringen, um eine Ausweitung des Aufstandes in diese Gebiete im Keim zu ersticken. Dazu wurde der lokale Widerstand brutal unterdrückt. In Charkow, wo es Großdemonstrationen gegen die neue Regierung gegeben hatte, wurden durch Terror der Nationalgarde die Proteste zerschlagen.

In Odessa gab es ein richtiges Massaker, das offenbar von Präsident Turtschinow, den Ministern Arsen Awakow und Andrej Parabui und dem Oligarchen Igor Kolomoisky organisiert wurde; Letzterer soll sogar Prämien von 5.000 Dollar für jeden getöteten „Separatisten“ ausgesetzt haben. Am 1. Mai gab es in Odessa noch eine eindrucksvolle Demonstration, am 2. Mai wurden aus der West- und Zentralukraine etwa 1.400 Mörder des Rechten Sektors und ein Bataillon, das Kolomoisky zur Verfügung gestellt hatte, mobilisiert, die mit Baseballschlägern und Schusswaffen ausgerüstet begannen, Regierungsgegner anzugreifen und zu terrorisieren. Die 200 Mitglieder der erst in Aufbau befindlichen Odessa-Miliz wurden nach kurzen Auseinandersetzungen rasch zerstreut. Dann wurde ein Protestcamp von 200 Leuten überfallen, die ins lokale Gewerkschaftshaus flüchteten. Das wurde in Brand gesteckt. Dabei sind vermutlich zwischen 120 und 130 Menschen verbrannt oder erstickt oder wurden bei Fluchtversuchen erstochen, erschossen — und Frauen teilweise zuvor noch vergewaltigt. Danach gab es systematische Vertuschungen und Verdrehungen. Die „Ermittlungen“ zu diesem Massaker wurden von den Freunden der Mörder geführt. Die Regierungen der USA und der EU und die westlichen Medien deckten diese Taten: Von den Völkermordaussagen Timoschenkos, über den SS-Aufmarsch der Regierungspartei Swoboda bis zum Massaker in Odessa wurde im Westen alles so gut wie möglich verschwiegen oder heruntergespielt.

Anfang Mai 2014 haben die USA der Regierung unter Jazenjuk eine Milliarde Dollar zur Finanzierung von Militäroperationen zur Verfügung gestellt. Dazu kam noch ein Hilfspaket von 17 Milliarden Dollar on der EU und der USA. Die Folge war eine „Reformpolitik“, die auf eine Kürzung von Sozialleistungen, Preiserhöhungen, Privatisierungen, Fabrikschließungen und einen generellen Ausverkauf an die westlichen Konzerne hinauslief. Ein kleiner Vorgeschmack war bereits 2014 der Aufsichtsratsposten, den der ukrainisch-israelische Oligarch Kolomoisky in seinem Gaskonzern Burisma Hunter Biden, dem Sohn des damaligen US-Vizepräsidenten, zugeschanzt hat.

Darüber hinaus hat die NATO mit der Ukraine natürlich weitere Ziele. Dabei geht es um Aufrüstung, Expansion und die Einkreisung Russlands. Neben Geld und Ausrüstung, besonders aus den USA und Britannien, sind im Jahr 2014 gleich Hunderte „Militärberater“ und Geheimdienstler, vor allem aus den USA, im Land, um die Nationalgarde und auch die Armee gegen die Rebellen kampffähig zu machen. Dazu kamen im gleichen Jahr mindestens 400 Söldner der US-„Sicherheitsfirma“ Blackwater, die schon im Irak für diverse Verbrechen verantwortlich war und seit 2009 Academi heißt. Bezeichnend ist dabei auch, dass Academi inzwischen dem US-Gentechnik-Agrarkonzern Monsanto gehört oder zumindest enge Verflechtungen bestehen. Monsanto wiederum lag seit Jahren auf der Lauer um den Zugriff auf die fruchtbaren ukrainischen Böden. Janukowitsch war allerdings drauf und dran, entsprechende Verträge mit chinesischen Investoren abzuschließen. Das hatte sich mit der neuen Regierung unter Poroschenko und der Präsenz der quasi firmeneigenen Söldnertruppe vor Ort für Monsanto zum Positiven gewendet.

Während ab 2014 vom Westen die ökonomische und militärische Unterstützung für die Regierung in Kiew vorangetrieben wurde, war es in der Ost- und Südukraine immer mehr verhasst, besonders nach dem Massaker in Odessa. Aber auch die neu eingesetzten Gouverneure von Donezk und Dnipropetrowsk, die Oligarchen Sergej Taruta und Kolomoisky, stießen auf Ablehnung. Letzterer finanzierte aus seinem gigantischen Privatvermögen auch Teile der Regierungstruppen. Bei den Unabhängigkeitsreferenden in Donezk und Lugansk, die am 11. Mai 2014 stattfanden, gab es offenbar trotz der widrigen Bedingungen, wie militärische Angriffe der Armee und Übergriffe durch die Nationalgarde, eine Beteiligung von 78 Prozent und eine Zustimmung von 93 Prozent. Auch wenn bei diesen Abstimmungen nicht alles ideal gelaufen sein mag, so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in diesen Gebieten nicht mehr unter der Herrschaft von Kiew leben wollte. Die Separatisten versuchten auch unmittelbar die Formierung eigener staatlicher Strukturen, was angesichts der Kämpfe allerdings anfänglich schwer war.

Nach einer westlichen Umfrage waren in den acht südöstlichen Regionen 41 Prozent für die Enteignung von illegal erworbenem Vermögen von Oligarchen, zusätzliche 24 Prozent für die völlige Enteignung der Oligarchen; nur 4 Prozent wollten ihnen alles lassen. In Flugblättern der Separatisten in Slawjansk und Donezk tauchten auch soziale Forderungen auf, etwa nach Verstaatlichung und Volksmacht. In etlichen Städten gab es Angriffe auf das Eigentum der Oligarchen Taruta und Kolomoisky, etwa auf Kolomoiskys Bankenfilialen. In Enakievo wurde das Stahlwerk des ehemals prorussischen Oligarchen Achmetow besetzt. In Krasnodon gab es einen Streik gegen politisch motivierte Kündigungen und es wurden 20 Prozent Lohnerhöhung erzwungen. Eine der ostukrainischen Milizen besteht ausschließlich aus Kohlebergarbeitern.

Der Widerstand in der Ostukraine entwickelte eine Dynamik von Selbstorganisation und Kampf auch um soziale Fragen. Es besteht ein Hass auf das Regime in Kiew und die Oligarchen. Teilweise gab es Hoffnungen auf Russland, teilweise aber auch Wut über Putins Aufforderung zur Verschiebung des Referendums und die mangelnde russische Hilfe.
Tatsächlich ist dem Kreml eine unkontrollierte Bewegung der Arbeiterklasse in der Ost- und Südukraine wohl nicht geheuer. Ihm geht es nicht in erster Linie um die dortige Bevölkerung, sondern um Einfluss auf die Ukraine und einen entsprechenden Deal mit den westlichen Imperialisten. Und auch der ehemals prorussische Oligarch Achmetow ist angesichts sozialrevolutionärer Elemente im Widerstand der Ostukraine zum Kiewer Regime übergelaufen, hat sich gegen die Rebellen gestellt und die Beschäftigten in seinem Konzern entsprechend unter Druck gesetzt.
Die zögerliche Haltung Russlands schuf erst die Grundlage für die Offensive der ukrainischen Regierung. Sie bekam die Zeit geschenkt, sich zu stabilisieren, Truppenverbände zu ordnen und neu aufzustellen. Zu den US-Militärberatern und Academi-Söldnern, zu den westlichen Waffen und Nationalgardisten kamen schon 2014 offenbar auch erhebliche Zahlen von polnischen Söldnern. Überhaupt dürften neben den US-Geheimdiensten vor allem polnische Stellen eine wesentliche Rolle bei der Koordinierung der ukrainischen Regierungstruppen gespielt haben, namentlich Außenminister Radek Sikorski, der schon den NATO-Beitritt Polens verhandelt hatte, und Jerzy Dziewulski, „Sicherheitsberater“ des ehemaligen polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski, der in den USA, Israel, Frankreich und Deutschland als „Anti-Terror-Experte“ ausgebildet wurde und ein eigenes privates „Sicherheitsunternehmen“ betreibt und der mit Alexander Turtschinow in Slawjansk auftauchte.

Bei der Präsidentschaftswahl Ende Mai 2014 lag die Wahlbeteiligung bei 59,6 Prozent. In großen Teilen der Regionen Lugansk und Donezk fand die Wahl nicht statt, auch in anderen Teilen der Ost- und Südukraine war sie sehr niedrig und auch in Kiew lag sie bei lediglich bei 62,7 Prozent, was einen Boykott von erheblichen Teilen der Bevölkerung ausdrückte. Mit der Wahl des Oligarchen Petro Poroschenko zum Präsidenten der Ukraine konnte die neue Regierung dennoch eine gewisse Legitimität erreichen. Poroschenkos erste Amtshandlung war ein Treffen mit dem US-Botschafter in Kiew, der ihn zu einer militärischen Offensive ermutigte und ihm versicherte, dass dabei bis zu 2.000 Tote drin seien und die USA und die westlichen Medien das in diesem Rahmen so gut wie möglich decken würden.

Erste Versuche eines militärischen Vormarsches sind dann erneut gescheitert, die Rebellen schossen wieder etliche Flugzeuge ab. Gleichzeitig stiegen aber die zivilen Opfer, die auch nach westlichen Angaben etwa drei Viertel der Kriegstoten ausmachen, durch Artilleriebeschuss stark an und dürften bereits an die Tausend reichen. Deutschland, das aufgrund ökonomischer Interessen eine weniger konfrontative Vorgehensweise gegenüber Russland will, versuchte erneut, Verhandlungen zwischen dem Kiewer Regime und den Rebellen in Gang zu bringen. Das wurde aber durch die scharfe Haltung der USA und Polens torpediert und Poroschenko, Awakow, Kolomoisky und Co wurden zu einer militärischen Lösung angestachelt.

Massiv aufgerüstet und professioneller organisiert, und angesichts ausbleibender ernsthafter russischer Unterstützung für die Rebellen, kamen Nationalgarde, Armee und Söldner dann Ende Juni 2014 doch noch in die Offensive. Der Kern der Nationalgarde wurde mit verarmten Kleinbürgern und Elementen aus der Westukraine, die durch den monatlichen Sold von 1.700 Euro, das Zehnfache eines Arbeiterlohns, angelockt wurden, auf bis zu 50.000 Mann aufgestockt. Die Kiewer Angaben von Hunderten getöteten Separatisten um den Monatswechsel waren sicherlich Propaganda für das heimische und internationale Publikum; dass es sich dabei um zum größten Teil durch Artilleriebeschuss umgebrachte Zivilisten handelte, war nicht des Erwähnens wert.
Anfang Juli gelang es der Regierung aber dann, mit überlegenen Militärtechnik und Mannstärke, die Rebellen aus den Städten Slawjansk und Kramatorsk zu vertreiben. Das waren nach der Übernahme von Charkow und Odessa die ersten Erfolge der Regierung im Bürgerkrieg. Poroschenko befahl dann den „totalen Angriff“ auf Donezk und Lugansk, was den immer massiveren Artilleriebeschuss vor Vororten bedeutete. Nach ersten Rückschlägen und dem neuerlichen Tod von Dutzenden Regierungssoldaten kündigte Poroschenko in NS-Diktion an, dass für jeden toten Regierungssoldaten „100 Separatisten“ getötet würden. Wie schon bei der Nazi-Kriegsführung bedeutete das auch im Falle der ukrainischen Regierung eine immer brutalere Kriegsführung auf Kosten der Zivilbevölkerung, die dementsprechend in immer größerer Anzahl die Flucht ergreift.

Für die russische Regierung stellte die Situation ein Dilemma dar. Sie hatte sich als Beschützer der russischen Bevölkerung in der Ukraine inszeniert. Bezüglich der Restukraine wollte man einen Deal mit dem Westen, nämlich eine Art neutrale Rolle der Ukraine mit geteiltem Einfluss von Russland und der EU. Der deutsche Block war dazu wohl auch bereit, aber die Hardliner USA, Großbritannien und Polen sowie die Regierung in Kiew wollten keinen Kompromiss. So wurde das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet und die militärische Offensive vorangetrieben. „Keine Verhandlungen, sondern Vernichtung der Rebellen“, war die Devise aus Washington und Warschau.

Die russische Regierung konnte die Russischsprachigen in der Ukraine nicht völlig hängen lassen, ohne letztlich mit einer schweren Niederlage aus der Ukrainekrise hervorgehen: Die Ukraine würde dem russischen Einfluss entzogen und trotz des Anschlusses der Krim wäre die NATO formell oder informell noch weiter an Russland hergerückt und die militärische Einkreisung vorangetrieben sein. Außenpolitisch wäre Russland in die Schranken gewiesen. Und innenpolitisch wäre das Image der russischen Regierung nach einer De-facto-Kapitulation in der Ostukraine schwer angeschlagen. Dementsprechend musste sie die Volksrepubliken so weit stützen, dass sie nicht zusammenbrechen.

Darüber, dass eine Niederlage der Rebellen für die Bevölkerung der Ostukraine eine Katastrophe bedeuten würde, kann kein Zweifel bestehen. Timoschenkos Völkermordfantasien sind bekannt und auch Jazenjuk hat die Separatisten wörtlich als „Untermenschen“ bezeichnet. Hunderttausende Menschen sind aus der Ostukraine bereits nach Russland geflohen und die ukrainische Regierung arbeitet darab, diesen Prozess fortzusetzen und so zumindest Teile der russischen Bevölkerung loszuwerden. Bei einer Besetzung der umkämpften Gebiete ist sicherlich mit Massakern durch rechtsextreme Banden und die Nationalgarde ebenso zu rechnen, wie mit systematischen Vertreibungen und ethnischen Säuberungen.

Bereits 2014 hat Verteidigungsminister Michail Koval offen über „Filtrationslager“ nachgedacht, durch die die Bevölkerung der Rebellengebiete geschleust werden soll, um tatsächlich und vermeintliche Separatisten ausfindig zu machen und Teile der Bevölkerung „umzusiedeln“. Außerdem sollen die an den Kämpfen gegen die Rebellen beteiligten Soldaten in der Ostukraine Land und Häuser bekommen. Ein Sieg des Kiewer Regierung würde in der Ostukraine eine weitgehende nationale und soziale Umkrempelung bedeuten und angesichts von Krieg, Vertreibung und IWF-Politik wohl auch eine Deindustrialisierung.

Angesichts des drohenden Terrors wünschen sich viele Menschen in den Volksrepubliken eine russische Intervention. Und Ähnliches gilt sicherlich auch für Teile der Bevölkerung in anderen Regionen der Ost- und Südukraine, die diesen Terror bereits seit Jahren erleben. Er bedeutet seit Jahren eine aggressive Ukrainisierungspolitik, seit 2017 die weitgehende Einschränkung des Unterrichtsrechts in Russisch und anderen Minderheitensprachen eingeführt wurde, sowie insgesamt einen massiven Druck auf Menschen, ihre russische Identität zu verleugnen. In der Folge wird die Zahl der Russen in der Ukraine von der ukrainischen Regierung und seinen westlichen Handlangern immer mehr kleingerechnet.

Das Abkommen von Minsk, das die Ukraine Anfang 2015 mit Russland, Deutschland und Frankreich abschloss, sollte die Rebellengebiete in der Ukraine halten, ihnen aber Autonomie garantieren. Da die ukrainische Regierung in Kiew zu Letzterem nie bereit war, konnte sich eine solche Lösung nicht durchsetzen. In all den Jahren seitdem kam es immer wieder zu Kämpfen an der Frontlinie und in den Rebellengebieten kamen Tausende Zivilisten durch ukrainischen Artilleriebeschuss ums Leben. Dennoch verhinderte das Abkommen über Jahre eine komplette militärische Eskalation. Die Rebellen in den Volksrepubliken konnten ihre lokale Stellung behaupten, die Regierung in Kiew im Rest des Landes seine Position stabilisieren.

Die ukrainische Regierung hat die vergangenen Jahre auch dazu genutzt, dass Land immer mehr aufzurüsten, zu militarisieren und der NATO dienstbar zu machen. Das konnten Russland und auch die russische Bevölkerung der Ukraine nur mit Sorge verfolgen. Die Angriffe auf die Volksrepubliken gingen auch stets weiter und wurden zuletzt provokativ verstärkt. Ob hinter dieser Eskalation im Sinne der NATO die gesamte Regierung in Kiew stand oder nur besonders extremistische Teile, ist unklar.

Insgesamt müssen der Konflikt in der Ukraine und seine aktuelle Zuspitzung auch im Kontext von grundlegenden geopolitischen Konzepten gesehen werden. Sie können hier nur knapp angerissen werden:
Bereits 1904 theoretisierte der englische Geograf Halford Mackinder die britische Geopolitik mit seiner „Heartland-Theorie“. Er betonte dabei die Bedeutung von Geografie, Technik, Wirtschaft, Industrie sowie Rohstoff- und Bevölkerungsressourcen für eine vergleichende Bewertung von Landmacht und Seemacht. Sein Kerngedanke war: Wer die eurasische Landmasse beherrscht, beherrscht die Welt. Die „Seemächte“, also Großbritannien und die USA, müssen um jeden Preis ein Bündnis zwischen Deutschland und Russland verhindern. Nils Hoffmann bezeichnete 2012 in seinem einschlägigen Buch Mackinders Konzept als „die wohl bedeutsamste Idee in der Geschichte der Geopolitik“.

In der Zwischenkriegszeit waren die herrschenden Klassen der angelsächsischen Staaten vom Rapallo-Vertrag 1922 zwischen Deutschland und Russland ebenso alarmiert wie Hitler. Und Teilen von ihnen war es nicht unrecht, dass mit den Nazis der rabiat antirussische Teil der deutschen Rechten an die Macht kam. Der Zweite Weltkrieg erreichte dann auch in Osteuropa seine größte Brutalität. Und der spätere US-Präsident Harry Truman sagte 1941 ganz offen:

„Wenn wir sehen, dass Deutschland gewinnt, sollten wir Russland helfen, und wenn wir sehen, dass Russland gewinnt, sollten wir Deutschland helfen, und auf diesem Wege lassen wir sie so viele wie möglich töten.“

Auch nach 1945 agierten die führenden US-Strategen Zbigniew Brzeziński und Henry Kissinger ganz im Geiste Mackinders. Ersterer schrieb außerdem 1997 in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ zur Ukraine Folgendes:

„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“

Und 2015 bilanzierte George Friedman, der Chef des CIA-nahen Informationsdienstes Stratfor: Das Ziel der US-Politik sei seit 100 Jahren Verhinderung eines Bündnisses zwischen Deutschland und Russland, zwischen deutscher Technologie und russischen Ressourcen, weil das einzige Gefahr für die US-Vorherrschaft darstelle.
In dieser Hinsicht ist die jetzige Eskalation in der Ukraine jetzt schon ein Erfolg für die US-Führung, denn die deutsche Regierung hat die Reihen mit Großbritannien und den USA dicht geschlossen und gehorsam Nord Stream 2 eingestellt. Gemeinsam decken sie die Regierung Kiew. Eine jämmerliche Figur wie die grüne Außenministerin Annalena Baerbock, die Kritiker der deutschen Coronapolitik schnell mal in die Nazi-Ecke stellt, hofiert die echten Nazis in der ukrainischen Regierung und öffnet nebenbei die Tür für US-Fracking-Gas.Ebenso erweist sich SPD-Kanzler Olaf Scholz als ebensolche NATO-Marionette wie Baerbock. Diesen Leuten seien die offenen Worte des ehemaligen SPD-Ministers Egon Bahr von 2013 gegenübergestellt:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Ich füge zu diesem Zitat hinzu: Egal, was Ihnen die Medien erzählen.

Erinnert sei an den Tonkin-Zwischenfall 1964, der den offenen Eintritt der USA in den Vietnamkrieg rechtfertigte, an die angeblich toten Brutkasten-Babys in Kuwait 1990, die für den Angriff der Irak benutzt wurden, an das sogenannte Massaker von Račak 1999, das die NATO-Aggression gegen Jugoslawien legitimierte, oder die vermeintlichen irakischen „Massenvernichtungswaffen“, mit denen der Einmarsch im Irak begründet wurden. All das war, wie sich später herausstellte, erstunken und erlogen.
Die russische Führung hat sicherlich auch nicht nur humanistische, sondern auch geopolitische Ziele. Sie haben aber angesichts der NATO-Einkreisungspolitik mehr Legitimität als die NATO. Und eine multipolare Welt bedeutet auch mehr Spielräume, als wenn allein die USA/NATO und die mit ihnen verbundenen globalistischen Netzwerke alles bestimmen.

5. Strategisches Objekt Ukraine
Erinnern wir uns weiter an die von Zbigniew Brzezinski nach dem Ende der Sowjetunion vorgelegten Strategien der „Einzigen Weltmacht“, die im Kern darauf orientierten, dass und wie die USA das Herzland Eurasiens, Russland, beherrschen müsse, wenn sie ihre Weltherrschaft sichern wolle — und dass ein zentraler Schritt dafür die Loslösung der Ukraine von Russland und ihre Einbindung nach Europa sei, weil Russland ohne die Ukraine nicht wieder zum Imperium werden könne. Brzezinski ging so weit, eine Dreiteilung Russlands in einen östlichen, einen zentralen und einen europäischen Teil vorzuschlagen, während er die Europäischen Staaten umstandslos als nützliche Erfüllungsgehilfen, offen sogar als Vasallen bezeichnete, die zur Umsetzung dieser Strategie gebraucht würden.

Erinnern wir uns insbesondere daran, wie die Dreiteilung der Ukraine in der Folge des Maidan 2014 zustande kam: Hervorgegangen aus einer ethnisch, sprachlich und kulturell uneinheitlichen Provinz der Sowjetunion, in der es nur durch willkürliche Verwaltungsgrenzen zusammengehalten war, verfiel das Gebiet in den Prozess einer nachholenden Nationenbildung mit krassen nationalistischen Begleiterscheinungen und sozialpolitischen Mängeln.

Es entstand ein Staat, der nicht durch seine schnell übergestülpte demokratische Maske, sondern durch die Willkür seiner Oligarchen definiert war und dessen jeweilige Staatsführungen in ihren Orientierungen zwischen Russland und der EU saisonal hin und her schwankten. Und hier beginnt nun die neuere Geschichte, die unter der Frage erinnert werden muss, wer die Minsker Verträge „beerdigt“ hat:
Die Unruhen des Maidan hinterließen eine von Nationalisten eroberte Staatsmacht — Arsennij Jazenjuk, der erste Ministerpräsident, der die russischsprachigen Teile der Bevölkerung „ukrainisieren“ wollte. Seine Strategie: gewaltsame Nationalisierung statt Integration.
Sein Nachfolger Petro Poroschenko ließ sich zwar formal auf einen Integrationsprozess gegenüber dem Osten ein, dekretierte dann aber eine anti-terroristische Kampagne gegen die abtrünnigen Republiken, die jedes Gespräch unter Kanonenschuss stoppte.

Zu Minsk II holte man 2015 die Sezessionisten auf deren Protest gegen ihre Abqualifizierung als Terroristen hin zwar mit in die Verhandlungen — aber nur im Nebenzimmer. Beschlossen wurde dennoch immerhin ein Programm der schrittweisen Annäherung zwischen Kiew und den Regionen, die in diesem Zuge ihre begrenzte Autonomie erhalten sollten. Der dafür notwendige Dialog zwischen ihnen und Kiew wurde von Kiew jedoch weiterhin verweigert, stattdessen wurde geschossen.

Alle Appelle Russlands an die Adresse Kiews, den Dialog endlich aufzunehmen, blieben erfolglos. Verantwortlich dafür wurde von westlicher Seite aber nicht Kiew, sondern Russland gemacht, das versäume, Druck auf die abgespaltenen Gebiete auszuüben. Gleichzeitig warf man Russland jedoch vor, rechtswidrig in die Gebiete zu intervenieren. Eine westliche Einwirkung auf Kiew, sich dem Dialog zu stellen, fand nicht statt, und fiel zumindest, wenn sie denn versucht worden sein sollte, in Kiew auf keinen fruchtbaren Boden. Nachdem sich dieser Austausch leerer Worthülsen über Jahre hingezogen hat, erklärten die Garantiemächte Deutschland und Frankreich vor zwei Jahren die „Minsker Gespräche“ für gescheitert. Schuld gaben sie wiederum Russland.
Wenn Macron und Scholz im Zuge der jetzigen Krise nach Kiew und Moskau eilten, um, wie sie angaben, die Minsker Gespräche wieder in Gang bringen zu wollen, so war das ein Wirbeln von heißer Luft, denn Kiew war daran weder beteiligt noch an Gesprächen interessiert. Wolodymyr Selenskyi weigert sich bis heute, das Gespräch mit den Sezessionisten aufzunehmen.
Vor diesem Hintergrund ist der Entschluss der russischen Regierung, die Minsker Gespräche jetzt seinerseits für gescheitert zu erklären und die Republiken als eigenständige Staatsgebilde anzuerkennen, nicht als „Beerdigung“ von Gesprächen zwischen den Separatisten und Kiew zu verstehen, sondern als Versuch, veränderte Bedingungen für die Aufnahme von Gesprächen auf neuer Basis zu schaffen — wenn beide Seiten das gewollt hätten. Gesprächsgegenstand hätte dabei werden können, wo die Grenzen der Regionen Donezk und Lugansk konkret zu ziehen wären, ob sie den ganzen administrativen Raum innerhalb der Ukraine vor der Abspaltung umfassen sollten oder auf die Gebiete hinter der Frontlinie beschränkt bleiben müssten. Die russische Anerkennung der Regionen ließ diese Frage offen.

Mit der Mobilmachung Selenskyis am Tag unmittelbar nach der Anerkennung der Regionen durch Russland und den darauf ebenso prompt folgenden Bombardierungen der militärischen Infrastruktur der Ukraine durch Russland wurde der oft verschobene Dialog, könnte man sarkastisch sagen, jetzt noch einmal um eine weitere Stufe hinausgeschoben. Ob dies nun endlich zur Aufnahme eines effektiven Dialogs führen wird, und wer da mit wem spricht, wird sich sehr schnell zeigen. Die Antwort liegt nicht bei der Ukraine, auch nicht bei den Europäern, sondern bei den Amerikanern, denn objektiv liegt der ganze Verlauf dieses Konflikts mehr als je zuvor — ganz in dem seinerzeit von Brzezinski vorgegebenen Sinne — im strategischen Interesse der USA:
– Um Russlands Kräfte zu binden und Russland politisch weiterhin als Aggressor isolieren zu können. Das hielte ihnen den Rücken frei für ihr Vorgehen gegen China.
– Um mit der Aufrechterhaltung der Möglichkeit eines jederzeitigen Kriegsausbruches, der auf europäischem Boden ausgetragen würde, Europa weiter als Vasall zu binden.
– Um ein Zusammenfinden der EU und anderer europäischer Kräfte mit Russland zu unterbinden. Im Zentrum steht da zweifellos die Kampagne der USA gegen die Inbetriebnahme von „Nordstream 2“.

Anders gesagt, die Ukraine wird immer noch gebraucht, um die Russen klein- und die Europäer botmäßig zu halten. Die Ukraine spielt dabei keine Rolle, schon gar nicht ihre ohnehin darbende Bevölkerung, wie laut auch gegenwärtig ins Horn einer Solidarität mit der Ukraine gestoßen werden mag.
Für die Europäer stellt sich die Frage, wie lange sie sich entgegen ihrer fundamentalen eigenen Interessen weiter vor den Wagen einer um Aufrechterhaltung ihrer Vormacht kämpfenden Weltmacht spannen lassen wollen. Die Zeit wird es zeigen.

6. Eigene Schlussfolgerungen

Ich habe mich im vorliegenden Text bemüht, auf charakterisierende und damit den Leser in eine bestimmte Denkrichtung steuerende Attribute zu verzichten. Ich arbeite weder für ARD und ZDF noch für irgendeine Zeitung. Nur Fakten zählen und diese habe ich versucht, möglichst vollständig zusammenzutragen. Sich daraus ein Bild machen, sollte der Leser selbst tun. Mein Bild dazu kommt jetzt, Sie müssen sich es nicht zu eigen machen.

Wie am Anfang erwähnt, geht es hier nicht um einen Krieg zwischen Völkern, sondern um den von Regierungen und den hinter ihnen stehenden geopolitischen Machtinteressen. Dementsprechend werden auch die Völker darunter zu leiden haben. Es gibt in keinem Krieg eine gute und eine böse Seite, denn Krieg ist das Schlimmste, das Entsetzlichste und Böseste überhaupt, was sich Menschen ausdenken können. Ihre Politik so auszurichten, dass ein Krieg niemals entstehen kann, wäre die Hauptaufgabe von Politikern.

Es stellt sich für mich auch nicht die Frage, ob und wie böse ein Wladimir Putin denn sei. Nebenbei bemerkt ist es eine der Hauptmethoden bei der Manipulation von Massen, geopolitische Geschehnisse auf das Wirken einzelner Personen zu reduzieren. Es gehört in meinen Augen tatsächlich viel Blauäugigkeit, um nicht zu sagen Dummheit dazu, zu glauben, eine Angela Merkel, ein Olaf Scholz, ein Wladimir Putin, die Intelligenzbestie Baerbock oder auch ein dementer Joe Biden würden eigenmächtig die Weltpolitik gestalten. Nun ja, es soll ja immer noch Leute geben, die glauben, ohne Hitler hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Nur er war das Böse …

Zur Position Russlands hilft vielleicht folgende Analogie: Sich einmal vorzustellen, ein Schwerverbrecher besitze ein Haus mit einem zehntausend Quadratmeter großen Grundstück. Links und rechts gibt es ebensolche Grundstücke und da ziehen jetzt ebenfalls Schwerverbrecher ein. Was wird wohl geschehen? Sie werden sich zu einem gemütlichen Sonntagsnachmittagskaffee verabreden? Oder nehmen wir stattdessen vorbestrafte Kinderschänder – würden wir diese neben uns dulden?

So oder so – ein Krieg und sei er auch noch so klein, an dem Atommächte beteiligt sind, hat immer das Potenzial der Vernichtung der gesamten Menschheit. Detoniert während dieses Krieges auch nur ein einziger atomarer Sprengsatz, war es das. Insofern ist jede Befeuerung dieses Konflikts, jede Drohung, jeder Schrei nach Rache, jeder Wunsch nach Zurückschlagen ein Spiel mit unserer Existenz. Dementsprechend sollte man alles bewerten, was unsere Politiker und unsere Medien von sich geben. Statt dem Schrei nach Aufhören wird weiter eskaliert, was das Zeug hält. Vielleicht es auch einmal angebracht, die Frage zu stellen, wessen Interessen sie damit dienen. Denen der kleinen Firma LEiTEK? Denen der alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern? Dem Stahlarbeiter, der morgens um vier aufsteht? Oder anders gefragt: Wem gehören die Medien? Haben Sie gewusst, dass der größte Medienbesitzer in Deutschland die SPD ist?

Selbst wenn es nicht zu einer Eskalation kommt, ist mit gravierenden Folgen, vor allem wirtschaftlicher Natur zu rechnen. Kriege werden von Regierungen geführt, die Lasten müssen immer deren Völker tragen. So grenzt es schon an Wahnsinn, die Handelsbeziehungen jeder Art mit Russland aufs Spiel zu setzen. Bereits die Nichtratifizierung von Nordstream 2 spielt mit der deutschen Energieversorgung. Nutznießer? Die Amerikaner. Jede Sanktion gegen Russland wird zu Preisexplosionen hier in Deutschland führen und damit die privaten Haushalte mehr als nur empfindlich treffen. Russland kann vollkommen autark existieren. Deutschland kann es nicht. Auch hier gibt es nur einen einzigen Nutznießer der Sanktionen: die USA. Fast könnte man meinen, dass es den Amerikanern egal sein kann, wer gewinnt, Hauptsache, es dauert nur lange genug. Genau betrachtet, haben sie bereits jetzt gewonnen. Eine Hoffnung gibt es noch: Vielleicht bringt ja die gestern verkündete hammerharte Sanktion – der Ausschluss vom Eurovision Songcontest – Russland dazu, umgehend alle Kriegshandlungen einzustellen.

Ich möchte mit einem längeren Zitat aus dem Roman schließen, an dem ich arbeite.

Sein Großvater war aus Vietnam in die DDR eingewandert und hatte erst an Buddha, dann an Demokratie und Sozialismus, danach an die soziale Marktwirtschaft und zum Schluss an ein buntes Europa geglaubt. Auf seinem Sterbebett hatte er an gar nichts mehr geglaubt, nicht einmal mehr an einen Gott, der eine solche Welt erschaffen haben sollte und zu dem er hätte heimkehren können. Alles, was Menschen noch einfiel, waren Außerirdische, Superkräfte, Zauberer, Zwerge, Drachen und Vampire; Waffen, Kriege und Bücher über die Liebe in einer Welt nach einem Atomschlag. Es war krank. Physik, Mathematik, Biologie – alles wurde zum Schlechten benutzt und Menschlichkeit fand nicht mehr statt. Die Menschheit war so degeneriert, dass Zwerge lange Schatten warfen und als Leuchten der Gesellschaft galten, die selbst die dekadenten Römern nicht einmal mit ihrem Arsch angesehen hätten. Was so ziemlich alles über seine Zeit und Gesellschaft aussagte. Die Menschen schickten Raketen zum Mond, luden ihre Autos an der Steckdose und ihre Gehirne jeden Abend um zwanzig Uhr am Fernseher.
Rudolf Minh hatte sich die Ansichten seines Großvaters zu eigen gemacht und verabscheute alle Uniformträger aus tiefster Seele. Für ihn sahen die Militaristen nicht nur gleich aus, sie dachten auch gleich und jeder von ihnen stank nach verfaulten Leichen. Sie waren nur glücklich, wenn sie morden, foltern und vergewaltigen konnten. Und wenn gerade kein Krieg zur Hand war, in dem sie es straflos tun konnten, dann erfanden sie einen. Probleme kannten sie nur, wenn sie gerade nicht die richtige Waffe zur Hand hatten, um sie zu lösen. Dann entwickelten sie schnell eine und nannten es „Fortschritt“. Wie die Atombombe.
Es gab nur einen Menschenschlag, den er noch mehr hasste – die, die mit einem Federstrich oder Tastendruck morden, foltern und vergewaltigen ließen, millionenfach. In der modernen Zeit zogen sie feine Anzüge und Kleider an und ließen es ihre Schreibervasallen „Raum für das Volk“, „Vorneverteidigung“ oder „NATO-Ostfront“ nennen. Wenn es dann endlich so weit war, befahlen sie die Schießwütigen zur Waffenkammer, die tauschten ihr Erbsengehirn gegen eine möglichst große Kanone und zogen fröhlich singend in jeden Krieg, den die Massenmörder ihnen befahlen. Der Grund war nie Religion oder Glaube, nie Demokratie. Der Grund war immer „Freiheit“. Die Freiheit der Anzugträger, egal welcher Nation, Geld zu scheffeln.

 

 

RHCSo, Februar 2022

Bild von Sammy-Sander auf Pixabay