Wie GoD starb

Great old desperates oder kurz GoD – wie eine dunkle Legende tauchen diese Buchstaben immer wieder im Lauf der Geschichte auf. Mehr ist nicht geblieben. Dass es ein ganzes Volk war, haben die Menschen längst vergessen.
Es war nie ein großes Volk gewesen. Vielleicht ein nach menschlichen Maßstäben mächtiges, aber diese Maßstäbe nahmen sie nicht für sich in Anspruch. Darwins Gesetz hatte GoD für sich nie akzeptiert. Technisch und kulturell hochentwickelt, mit einer Lebenserwartung von mehreren einhundert Jahren ausgestattet, existierten sie im Einklang mit der Natur. Wo die Ausbreitung ihrer Population zu Konflikten mit ihrer Umwelt geführt hätte, reduzierten sie lieber die Anzahl ihrer Geburten, als einen Baum zu viel zu fällen oder ein Tier aus seinem angestammten Lebensraum zu verjagen. Sie wussten, dass das Universum keine Katastrophen kennt, sondern nur Veränderung. In Vulkanausbrüchen sahen sie nicht die Zerstörung, sondern diese Veränderung und wie schnell aus der fruchtbaren Asche wieder neues Leben spross. Tsunamis, Erdbeben, Tornados, Eiszeiten, Warmzeiten, selbst die Umkehrung der magnetischen Pole – alles, was die Menschen als Katastrophen sahen, waren für GoD natürliche Prozesse und damit Bestandteil ihres Lebens. Sie hätten sie verhindern, lenken und auslösen können. Sie taten es nicht, weil es für sie ein Teil des gleichen universellen Prozesses war, dem auch sie angehörten.
Tausende Jahre den Primaten in der Entwicklung voraus, wäre es GoD ein Leichtes gewesen, zu verhindern, dass die Affen aus ihren Bäumen kletterten, Menschen wurden, die Erde und ihre Ressourcen eroberten und das Blut von Ihresgleichen vergossen. Doch GoD fehlte das, was die Menschen für sich und ihre Lebensweise als essentiell betrachteten: Durchsetzungsvermögen bis hin zur Aggressivität sogar gegen die eigene Art.
So zog GoD sich immer weiter zurück, je mehr die Menschen sich ausbreiteten. Alle Versuche, sie zu inspirieren und in ihrer Entwicklung voranzubringen, führte bei den Menschen immer wieder zu dem gleichen Ergebnis: dem Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Völkern und dann zum Krieg um deren Ressourcen. Es war mehr, als GoD, dieses friedliche Volk von Pazifisten, ertragen konnte. Es dachte in universellen Zusammenhängen und betrachtete intelligentes Leben nicht als einmalig im Universum. Es war selten, aber nicht unwiederbringlich und wenn es sie nicht mehr gab, würden andere folgen, davon waren sie überzeugt. Um 9600 vor Christi tilgten sie sorgfältig alle Spuren ihrer Existenz, zerstörten die Insel im Atlantik, die ihr letztes Zuhause war, und verschwanden von der Erdoberfläche.
Fast zehntausend Jahre später versuchte GoD noch ein letztes Mal, die Menschen zu bessern, doch die zehn Gebote, die sie den Menschen auf dem Berg Sinai unterjubelten, waren genau so wenig von Erfolg gekrönt wie alle vorherigen Versuche, aus den Affen Menschen zu machen. Die Affen schlachteten sich nach wie vor gegenseitig ab und der einzige Unterschied zu vorher war der, dass sie es ab dem Jahr null im Namen Jesu und der Nächstenliebe taten.
Bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein siechte GoD dahin, eher bereit, den eigenen Untergang in Kauf zu nehmen, als sich mit den Menschen auf einen Krieg einzulassen. Die Menschen hätten diesen Krieg verloren, doch danach wäre die Erde nicht mehr dieselbe gewesen und auch GoD hätte aufgehört, zu existieren. Sie wären wie Menschen geworden. Nicht nach ihrem Aussehen, das war nicht möglich. Aber wie die menschliche Rasse zu sein, bedeutete für sie, potenzielle Mörder zu sein.
Dann kam der sechzehnte Juli 1945. Auf dem Gelände der White Sands Missile Range in der Nähe der Stadt Alamogordo in New Mexico fand unter dem Namen Trinity-Test der erste Atombombenversuch statt. Die Detonation war so stark, dass selbst Seismographen in der Antarktis die Schockwellen registrierten. Die Menschheit hatte den ultimativen Knüppel gefunden, mit dem sie sich selbst und jedes bekannte Leben auf der Erde vernichten konnte. Daran, dass es noch unbekanntes Leben geben könnte, dachte damals niemand. Warum auch? Wer eine solche Waffe konstruiert, denkt – wenn man das überhaupt Denken nennen kann – über den Tod nach, nicht über das Leben.
GoD wusste, dass der Countdown für die Auslöschung der Existenz jedes Lebens auf der Erde gestartet worden war. Am Ende fand GoD es gar nicht so schlimm. Das Leben auf der Erde war nichts weiter als ein mikroskopisch kleiner Teilaspekt des großen Ganzen. Eines unendlich großen Universums, in dem alles seinen Platz und sein Kommen und Gehen hatte. Das Leben auf der Erde hatte nie verstanden, dass es seine Einmaligkeit nicht aus sich selbst heraus schöpfte, sondern daraus, ein Bestandteil des universellen Lebens zu sein.
Hätte God lachen können, hätte es das getan. Doch es war ihnen nicht gegeben und so schalteten sie sich einfach ab.

 

RHCSo, Februar 2022

 

Image by Evgeni Tcherkasski from Pixabay

Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , ,

Verfasst 16. Februar 2022 von Rainer Sonnberg in category "Erzählungen

Kommentar verfassen